Die Diagnose ist nicht neu. Man hört sie in diesen Tagen und schon seit ein paar Jahren an allen Ecken, auf allen Gassen des akademischen Betriebs und der Feuilletons.
Die Studenten von heute sind unkritisch, faul, auf den maximalen Nutzen bei gleichzeitigem Primat des minimalen Aufwands bedacht, wollen nicht, können nicht, usw.
Für mich, der selbst in der Lehre tätig ist, die eigene Studienzeit aber noch nicht all zu lange hinter sich liegen hat, fällt es bisweilen auch schwer, sich diesem Urteil nicht spontan und ärgerlich anzuschliessen. Doch es lohnt, die Zusammenhänge etwas differenzierter, mit erzwungenem Abstand der Reflexion zu betrachten.

Der Beitrag in der FAZ berichtet über eine Podiumsdiskussion mit Christiane Florin, die an der Bonner Universität stattfand. Florin hatte mit ihrem Buch „Warum unsere Studenten so angepasst sind“ (Rowohlt Verlag, 2014) die andauernde Debatte neu aufgeheizt. Die Argumente aber scheinen rar, die Ratlosigkeit, was zu tun sei, dagegen weit verbreitet. Und auch der FAZ Artikel weiss nicht weiter.

Mir scheint, die Frage nach der Angepasstheit der Studenten muss mindestens auf vier Ebenen diskutiert werden und dabei immer die Offenheit der Frage wach halten. Sind denn heutige Studierende wirklich angepasster und unkritischer, als früher, konkret: die Generation der heutigen ProfessorInnen? Ich will die scheinbar offensichtlichste Dimension, die Studierende selbst, für einen Moment zurückstellen und bei anderen Ebenen beginnen.

Zunächst könnte man beim gesellschaftlich-kulturellen Kontext ansetzen. Die heute an Universitäten strömenden Studierenden sind, so wird es in den Medien und auch in der Selbstsicht der Studierenden ständig wiederholt, YOLOs (you only live once), anspruchsvolle Mitglieder der „Generation Y“ mit konkreten Vorstellungen über ihre Zukunft, die der unsicheren wirtschaftlichen Situation und den oft schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit umso gesteigerteren Ansprüchen und Idealen begegnet. In einem dem liberalen Kapitalismus derart verschriebenen, fast blind vertrauenden, ideologischen Klima kann den Studierenden selbst nur schwer ein einfacher Vorwurf gemacht werden, der ihnen die Schuld an ihrer Einrichtung in unserer Gesellschaft zuschreibt. Besonders dann nicht, wenn man bedenkt, wie verschieden zu diesem Gesellschaftskontext es um frühere Generationen bestellt war. Zu Zeiten der 68 Bewegungen, der Studentenproteste, der Friedensmärsche, der Öko-Bewegungen, in Zeiten der Hochphase politischer Theorie und kritischer Philosophie, in Zeiten der Bürgerbegehren und -proteste, der Wiedervereinigung, usw. – die Liste könnte man noch lange weiterführen – ist es wohl wenig überraschend, dass Studierende einen kritischen Geist mitbrachten. Nur zwei Anmerkungen müssen hier unbedingt bedacht werden: Zum einen, kann den Studierenden von damals die Verantwortung an dem gesellschaftlich-kulturellen Kontext ebenso wenig positiv, wie den Studierenden von heute die bedingungslose Unterwerfung der Gesellschaft unter den Kapitalismus negativ angerechnet werden. Es ist die Geschichte der Sieger, die eine solche Asymmetrie des Vergleichs trotz der Unzulässigkeit plausibel erscheinen lässt. Zum anderen, zielte die Frage tatsächlich auf Angepasstheit, müsste man sich doch fragen: waren die Studierenden früher, bedenkt man eben jenen gesellschaftlichen Kontext, nicht mindestens ebenso angepasst, wie die heutige Generation an ihren Kontext? Und was meint ‚Angepasstheit’ dann noch? Ein Vorwurf? Ein Kompliment? Eine nüchterne Beschreibung?

Neben dem gesellschaftlich-kulturellen Kontext muss selbstverständlich auch der institutionelle Kontext der Universitäten berücksichtigt werden. Dazu hat man ebenfalls schon viel in der Zeitung und akademisch-lamentierenden Beiträgen überall lesen können. Der Schuldige scheint ausgemacht und wird mit dem Label „Bologna-Reform“ durchs Dorf getrieben. Und daran ist sicher viel Wahres. Zu einer Zeit, da Studierenden das Studium durch Workload, Credit Points, ECTS Punkte, und nur scheinbare Wahlpflichtangebote in engen Bahnen vorgegeben wird, verändern sich die Spielräume und Möglichkeiten der Initiative für Studierende dramatisch. Dass diese ihre Kritikfähigkeit in Seminaren verlieren, wenn schon die Begründung für die Notwendigkeit des Seminars selbst nicht mehr inhaltlich sondern fast ausschliesslich formal argumentiert, kann einen ebenfalls kaum verwundern. Die Spielräume heute sind eben in Fragen nach der Prüfungsrelevanz der Themen, der Seitenanzahl der Hausarbeiten, usw. verborgen. Das ist nur konsequent. Da helfen auch die besten Programmräte, Fachverbandsrichtlinien für Studiengangsmodularisierungsverfahren (!), und das best geschulteste Reform-Team an Universitäten wenig. Die Regeln des Spiels bleiben scheinbar unhinterfragt und nur die konkreten Spielergebnisse werden enttäuschend zur Kenntnis genommen. Es sei eine Fussballmetapher erlaubt: es ist, als würde man dem Stürmer auf dem Rasen vorwerfen, dass er so wenige 3-Punkte-Würfe versenkt. Kann man machen, riskiert dann aber Schwachsinnigkeit. Es muss wohl kaum extra hinzugefügt werden, dass auch hier, bedenkt man die institutionelle Situation, Studierende früher ebenso an ihre freie Studiengangsgestaltung „angepasst“ waren, wie es heutige auf Bologna reagierende Studierende sein müssen.

Kommen wir zu den Lehrenden, die doch meist die Diagnostiker der so intensiv bestaunten Symptomatik sind. Es sind eben jene Lehrenden, die heute selten das grosse Ganze im Blick halten. Die Studierenden tun dies selbstverständlich auch nicht, aber wer will es ihnen vorwerfen, sie waren früher ja maximal embrional. Mit dem Wechsel von hinten nach vorne im Hörsaal scheinen viele KollegInnen auszublenden, dass das Studium heute nicht das gleiche ist, das es zu eigenen Studienzeiten war. An Hinweisen darauf kann es kaum mangeln. Zu schmerzlich sind Studiengangsreformsitzungen, Akkreditierungs- und Reakkreditierungsbesuche und -begehungen, Evaluationen und Evaluationswahnsinn darum herum, und eine generell steigende Anzahl von in ihrer Existenzberechtigung höchst fragwürdigen Gremien. Das alles wird jedoch nicht mit der Studiensituation in Verbindung gebracht. Zu fern ist das Studium vom Lehrbetrieb; aus den Veränderungen auf der Seite der Lehre und Verwaltung werden einfach keine Rückschlüsse übereinen möglichen Zusammenhang mit möglichen Veränderungen des Studiums gezogen. Jeder ist so geschäftig beschäftigt mit seinem eigenen Schicksal, dass neben dem Beklagen der persönlichen Situation kaum Zeit für differenziertere Analysen bleibt. War es Richard Münch, oder André Kieserling, der anlässlich des Todes von Ulrich Beck über die Generation der heutigen Professoren sagte, dass jene zu Zeiten ihres Studiums quasi keine Zukunftsangst oder Jobunsicherheiten kannten? Nach dem Studium fragte man damals nach einer Stelle zur Promotion und bekam sie. Nach der Promotion wartete man auf einen Anruf, der einem ein Angebot zur Postdoc Stelle mitteilte; man wartete dann auf einen weiteren Anruf und entschied sich schliesslich für das bessere Angebot. Das mag übertrieben sein, und Empfindliche mögen nun sich sofort genötigt fühlen, über ihre schwierige Situation von damals empört korrigierend einzuschreiben – der Grundtenor ist aber vermutlich nicht zu leugnen. Heute zu studieren bedeutet etwas anderes, als damals. Heute akademische Selbstverständnisse zu hören, die Berufsqualifizierung streng aus ihrem Aufgabengebiet zurückweisen mit dem Satz: das hier sei Wissenschaft, keine Berufsausbildung, haben eben trotz all ihrer Berechtigung für heutige Studierende auch begründet beunruhigende Untertöne. Da hilft auch keine Kritik an einer Beschleunigungsdoktrin der Bildungspolitik, wie der FAZ Artikel über den Beitrag von Jürgen Fohrmann berichtete. Überhaupt: die Beschleunigungsthese, so prominent vor allem von Hartmut Rosa vertreten und auch im Kontext der Bildungsproblematik gerne herbeizitiert, übersieht ebenfalls die Relativität der eigenen Beobachterposition: dass immer alles schneller wird ist vermutlich zu einem grossen Teil schlicht eine normalbiografische Erfahrung von alternden Männern und hat mit gesellschaftlichem Wandel nur wenig zu tun. Würde sich gesellschaftlich absolut nichts verändern, die Rosas Beschleunigungsthese wäre kaum weniger plausibel. Wer Emails ausdruckt, für den sind Briefe heute schneller, zahlreicher, anstrengender. Wer Emails als Emails nutzt, kommt damit eher klar. Wer die Erinnerungen an die eigene Studienzeit aus dem Kontext der eigenen Lebensumstände und des gesellschaftlichen Kontexts der damaligen Zeit herauslöst und mit der Reaktion der Studierenden im eigenen Seminar heute vergleicht, der vergleicht so derart schräg und unzulässig, dass er/sie ernsthaft darüber nachdenken sollte, noch einmal zu studieren. Wenn er/sie es sich denn zutraut.

Als vierte Dimension muss trotz alle dem natürlich auch über die Studierenden gesprochen werden. Wenn die vorangegangenen Absätze sich auch lesen mögen wie eine Entschuldigung und Zurückweisung aller Verantwortung der heutigen Studentenschaft, so kann dies mit Nichten alles sein. Auch unter widrigsten Bedingungen bleiben Menschen, und damit auch Studenten, frei; frei, sich zu entscheiden, frei, sich einzubringen, frei, kritisch zu sein. Diese Möglichkeiten bleiben bis in extreme Situationen der Gefangenschaft und Sklaverei erhalten, sie müssen den Studierenden daher selbstverständlich erst recht auch unterstellt werden. Die Berufung auf Kontexte, Institutionen und generell „andere Zeiten“ kann keine Entschuldigung für mangelnde Kritikfähigkeit der Studentenschaft sein. Für Angepasstheit ja, für Kritikunfähigkeit keinesfalls! Wenn heute also zurecht kritisiert werden mag, dass Studierende weniger kritisch am Seminargeschehen teilnehmen, weniger engagiert Gelerntes hinterfragen, weniger provokativ, weniger revolutionär, usw. seien, dan hilft es auch nicht zu beobachten, dass dies für einen grossen Teil der Bevölkerung ebenfalls zutrifft. Es hilft nicht, den Kontext dafür verantwortlich zu machen. Den Ball zwischen den Ebenen hin und her zu werfen, verhindert dabei letztlich nur, dass jemand beginnt Verantwortung zu übernehmen und sich um Veränderungen zu bemühen. Kurz: Man kann ausser bei der Gesellschaft, denn ihr fehlt die Adresse oder das Zentralorgan, bei der Institution beginnen, bei der Lehrendenschaft, oder den Studierenden. Und alle müssen hier aktiv werden. Dies scheint mir einer der zentralsten Punkte der aktuellen Debatte zu sein und zugleich einer, der zu oft übersehen wird: das Problem betrifft alle, alle sind gleichermassen in der Verantwortung für die Gestaltung der „nächsten Universität“. Die Fragen nach der Angepasstheit der Studierenden sind nur die Nebelkanonen der Etablierten.

17 Replies to “Leserbrief zu: „Geist der Lethargie. Eine Bonner Diskussion über unkritische Studenten“ (@FAZ_Wissen, Mittwoch, 4. Februar 2015)

    • vielleicht ein bisschen mehr? (stichwort: stichwort)
      so kann ich noch kein argument erkennen, oder überhaupt irgend etwas – ausser bezüge zu einem anderen kommentar auf simons kehrwoche der das mit witten in verbindung bringt. gerade gegooglet. also?

  1. “Jeder ist so geschäftig beschäftigt mit seinem eigenen Schicksal, dass neben dem Beklagen der persönlichen Situation kaum Zeit für differenziertere Analysen bleibt. ”

    Das Stichwort sollte nur als kleiner Fingerzeig in Richtung Privatuniversität dienen. Es ist doch etwas schade, wenn das Ideal der Freiheit, wie Jürgen Möllemann zu Tode stürzt, mit demonstrativ geschlossenem Fallschirm, nur weil man denkt: Pustekuchen, die anderen machen es doch genauso.

    Was könnte also die Alternative zum Unternehmer Inkubator sein? Zum Brand Eins Fetischismus?

  2. Die Frage ist m.E. nicht Privatuniversität vs. staatliche Universität oder was machen eigentlich die anderen…
    Mir scheint es wichtiger zu sein, zu fragen, welche Interessen werden bedient, wenn nach dem Schuldigen der Bildungsproblematik nicht nur gefragt, sondern wenn auch noch einer gefunden wird. Und diese Interessen sind in Frage zu stellen, werden aber, weil Schuldige suchen und finden sehr viel befriedigender ist als Interessen zu erkunden, zum Verschwinden gebracht; durch eine lamentierende Berichterstattung, aktionistische Bildungspolitik, weinerliche Univerwaltung und feudalistische Fächerstrukturen.
    Und schon dieser Kommentar begibt sich mit seinen Beobachtungen in dieselbe Gefahr, die Situation zu stabilisieren, statt sie zu verunsichern. Wie das gelingen könnte, wäre die Frage. Privat-vs.-Staatl. ist mir ja völlig egal. An Unternehmern war ich auch noch nie interessiert.

  3. Die Brennstoffzelle der Bildungspolitik ist nunmal der Freiheitsbegriff. An Privatunis kann man am schönsten studieren, wie dieser Begriff sich selbst abschafft, wenn Präsidenten sich an Spendengeldern bereichern (ZU), oder Thomas Middelhoff per Hubschrauber eingeflogen wird, um die Eroffnungsrede zum Thema gute Corporate Governance zu halten (Witten). Dadurch entstehen Kindergärten der Dummheit, dort wo die Bildungspolitik Leuchttürme des Freiheitsbegriffs vermutet.

    Sich selbst, als Lehrenden, an solchen Orten Desinteresse für die Leitkultur zu bescheinigen und stattdessen über das Lamentieren zu lamentieren ist wahrhaftig rekursiv.

  4. Leitkultur? Seriously?
    Ok. nur noch zwei Punkte:
    Ich übernehme die Verantwortung für meine Seminare und Arbeiten – nicht für die Handlungen der Universitätspräsidenten und schon gar nicht für Personenbeförderung zu Eröffnungsreden an Orten, an denen ich noch nie war. Wenn Sie Lehrveranstaltungen von mir ebenfalls als Veranstaltungen im Kindergarten der Dummheit bezeichnen, dann würde ich Sie ja einmal einladen. Ob dort allerdings etwas anderes gelehrt wird, als in Leuchttürmen des Freiheitsbegriffes (wo immer die stehen), kann ich nicht versprechen. Meine Arbeit verantwortet sich auch nicht gegenüber solchen inhaltsleeren Anschuldigungen, sondern gegenüber den Fachdiskursen der relevanten wissenschaftlichen Disziplinen – und darin liegt doch nicht zuletzt auch jenen Freiheit, die Sie suchen.

    Meinen Versuch, blinde Flecken der Diskussion um die angebliche Angepasstheit der Studierenden aufzuzeigen als ein Lamentieren über Lamentieren zu bezeichnen, ist in Ordnung, hatte ich auch als Problem angemerkt. Zugleich mangelt es dem Hinweis aber an inhaltlichen Argumenten: Was genau ist das Problem an meinem Beitrag? Und inwiefern hat er mit Privatuniversitäten zu tun? Ich hatte das doch gar nicht angesprochen, diese nicht gegen jene verteidigt – wenig läge mir ferner. Mein Argument hingegen war ja präzise auch nicht eine Verteidigung des Lamentierens, sondern seine Kritik und der Versuch aufzuzeigen, dass hier nicht einzelne (z.B. “die Studierenden”, oder “die Bildungsplitik” oder “die Bologna-Reform” oder wer immer hier hinter der angenommenen Verschwörung stecken soll) sozusagen zur Verantwortung ‘gezogen’ werden, öffentlich beschuldigt und auf Weblogs, in Feuilletons oder anderswo an den Pranger gestellt werden können, weil dies die Verantwortungsübernahme verhindert, statt die ‘Sachverhalte’ zu klären.

    Was ist denn Ihr Beitrag und was wäre Ihr Vorschlag? Oder bevorzugen Sie das Lamentieren – rekursiv oder nicht – und wenn, dann: Warum?

  5. Tja, die Leitkultur wird halt von einer verstockten Physikerin vorgelebt, die auf beschauliche Langeweile als erfolgreichstes Zugpferd setzt. Damit kommt man den Deutschen scheinbar sehr entgegen. Dieser blinde Fleck für die eigene embeddedness in Privatunis oder das Weltgeschehen im allgemeinen ist ja auch sehr bequem. Wenn du dein Argument ernst nimmst, müsstest du wohl über dein eigenes embedding reflektieren…

    Biographisch bedingt bin ich im Gentrifizierungsradius der Uni Witten geparkt und desöfteren hart genervt vom selbstherrlichen Geschwafel, dass von dort aus in die nähere Umgebung, Kneipen, Lokalpolitik, etc. ausdünstet. Diese Heuchelei ist einfach schwer erträglich, daher hier und da eine verbale Karikatur, ein Vorschlag, eine Wortmeldung. Ich freue mich, wenn ich zu neuartigen Vernetzungen beitragen kann. Manchmal klappt es ja sogar…

    Letztens habe ich mal einen Hare Krishna Tempel besucht, eine nette Diskussion geführt und mich darüber gewundert, wie man mit so einfachen Mitteln innerhalb von ein paar Jahrzehnten ein derartig erfolgreiches, globales Bildungsnetzwerk für hinduistische Philosophie aufbauen kann. Ich denke von dieser Organisation könnten die deutschen Unis und deren Angestellten am ehesten lernen aus dem Lamentieren zu einer produktiven Haltung zu gelangen.

    Just my two cents.

  6. OK. Ich glaube, wir kommen hier kaum weiter. Sie wissen weder etwas von meiner “embeddedness” (warum eigentlich dieser Ausdruck?) in Privatunis noch von meiner Reflexion meiner Eingebundenheit in “das Weltgeschehen”. Und dabei hatte ich sogar schon dazu geschrieben. Also zu einer kritischen Theoriekritik. Davon abgesehen, sind solche verteufelten Privatunis nicht im Ansatz intern so ideologisch geschlossen, wie Ihre Anschuldigungen es zu konstruieren versuchen. Da laufen doch genau diese Debatten ab. Sie dringen vielleicht nicht immer bis in die Kneipen der näheren Umgebung, aber was dort ankommt kann man sowieso kaum als differenziertes Bild oder Abbild solcher Institutionen betrachten. Ebenso diskutieren Stammtische überall zwar Weltpolitik, eine differenzierte Analyse der Weltpolitik lässt sich deshalb aber noch nicht aus einer Gesprächsanalyse von Stammtischdiskussionen schreiben. Das ist nun etwas überspitzt, aber deutet die Richtung an.
    Das einmal beiseite gelassen. Ich möchte nur noch hinzufügen, dass der Vorwurf, man distanziere sich nicht genug von einer Einbettung in solche Kontexte einen sehr elitären Zug hat – etwas, das Sie sicher kaum beabsichtigen können. Die prekäre Situation für junge wissenschaftliche Mitarbeiter und das nicht zuletzt persönliche Risiko, die man sich mit einer solchen Berufswahl einhandelt, ist mittlerweile ebenfalls ein feuilletonistischer Gemeinplatz. Kur: mir meine Angewiesenheit auf Bezahlung vorzuwerfen, muss man sich auch erst mal leisten können.

    Zu Witten: vielleicht sieht man sich ja dort einmal in den Kneipen der näheren Umgebung oder an der Uni.

    Zu Hare Krishna: Das ist nun wirklich schlicht. Der Wissenschaft und ihrer Organisation zu raten, sich ein Beispiel an der missionarischen Krishna Bewegung zu nehmen, verkennt genau den Punkt, den Sie angeblich machen wollten: religiöse Bewegungen, die die Erlösung der Welt durch Krishna-Bewusstsein anstreben, können wohl kaum mit dem Ideal der Freiheit der Wissenschaft in Verbindung gebracht werden. Damit will ich ausdrücklich NICHTS gegen die Krishna-Bewegung sagen, sondern nur darauf hinweisen, dass es sich bei religiösen und wissenschaftlichen Projekten um sehr verschiedene Logiken handelt. Eine kritisch-theoretische Perspektive kann kaum Missstände der Wissenschaft durch eine religiöse Lehre ersetzen oder auch nur erfolgreiche Instrumente globaler Vernetzungen missionarischer Bewegungen ernsthaft als Inspiration für die Errichtung von “Leuchttürmen” der Freiheit in Erwägung ziehen. Das ist so schräg, man weiss gar nicht, wo man beginnen sollte.

  7. Ranulph Glanville hat in einem schönen Artikel die Arbeit von Alcoholics Anonymous mit kybernetischer Begrifflichkeit durchleuchtet und aufgezeigt, wie dort theoretische Konzepte praxisnah gelebt werden. Hättest du ihm auch vorgeworfen, die missionarische Mission einer Gruppe von Alkis sei mit universitärer Bildung nicht vergleichbar? Die Idee etwas schlicht?

    Es geht mir natürlich um die Organisationskultur und nicht um das Krishna Bewusstsein der ISKCON. Alles andere wäre völlig irre. Was man dort bemerken kann, ist, wie radikaler konstruktivismus sich in letzter Konsequenz zu einer Haltung der ekstatischen Demut in verschiedenen Funktionssystemen ausdifferenzieren kann. Im Zen spricht man Beginners Mind, und hat dennoch nur die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Was würde Heinz von Foerster wohl dazu sagen?

    Das schöne an Kneipen ist die Schonungslosigkeit, finde ich. Der Alkohol verstärkt den Taumel der einzelnen Affekte und bringt die Nebensächlichkeit der Argumente durch das Gestammel auf den Punkt.

    “Drunks ramble; so do books by drunks.” —John Irving

  8. Glanvilles Artikel habe ich nicht als schlicht bezeichnet – habe ihn auch nicht gelesen. Aber das war auch nicht der Vorschlag, sondern ISCON zum Vorbild zu nehmen. Selbstverständlich ging es Ihnen dabei um die Organisationskultur, dem konnte ich schon folgen. Nur mein Argument ist:
    Man kann Organisationskultur (warum immer dort Kultur steckt und man es nicht einfach Organisation nennt… Organisationskultur ist m.E. ebenfalls fast immer eine begriffliche Nebelkanone und ideologischer Euphemismus, um die schräge Dissonanz zwischen Abneigung gegen und Notwendigkeit von Organisationen zu maskieren; sei’s drum) nicht von ‘inhaltlichen’ Zusammenhängen losgelöst betrachten. Organisationen mögen vielleicht, wie Luhmann beschreibt, als die grosse Erfindung der funktional differenzierten Gesellschaft in allen Bereichen aufgetaucht sein, sie finden ihre konkrete Form jedoch nicht einfach im Nichts, sondern in konkreten Kontexten und unter konkreten Bedingungen. Mithin haben sie gewisse Funktionen und Leistungen für die jeweiligen Funktionskontexte, denen sie sich verschreiben. Mir scheint z.B. dass wissenschaftliche Organisation bisweilen die Hauptfunktion haben, wissenschaftliche Erkenntnisprozesse des Widerspruchs zu verlangsamen, oder teils vollständig zu lähmen. Wissenschaft würde, wenn nicht universitär organisiert (als ob das ginge…ka wie…), sich quasi minütlich überholen. Dem Widerspruch und der Kritik wären keine Grenzen und Bremsen gesetzt. Der Zwang, sich für Forschungsmittelakquise und Stelleneinwerbung in Traditionen zu stellen, die man aus mehr strategischen als inhaltlichen Gründen zeitweise zu kritisieren aufgibt, nur um für weitere Kritik Geld zu erhalten, oder die Wissenschaftlerinnen mit Gremienarbeit schlicht vom Arbeiten abzuhalten, scheint mir eine grosse und derzeit kaum aus der Wissenschaft wegzudenkende Leistung universitärer Organisation zu sein.

    Religiöse Organisationen, besonders missionarische haben dagegen m.E. zwar auch die Aufgabe bestimmte Lehren im Bestand zu sichern, Texte zu kanonisieren, eben kurz gesagt: alles zu entscheiden, was nur religiös zu entscheiden ist und mit der From der Entscheidung selbst an die Grenzen des Religiösen zu stossen, d.h. damit immer wieder in Konflikt treten (auch hier hatte Luhmann schon auf die Grenzen der Organisierbarkeit von Religion verwiesen), jedoch scheinen die Schwerpunkte hier vollkommen anders gelagert. Die Funktion der Organisation von missionarischen Religionen scheint mir vor allem eine Organisation des Netzwerks zu sein, also eine Art Metastabilisierung von Verbindungen über die punktuelle Institutionalisierung von Knoten, die somit für die Mission genutzt werden können. Des weiteren scheint mir, dass religiöse Organisationen sich, vermutlich auch aufgrund religiöser Begründungszusammenhänge, sehr viel stärker dem Primat der religiösen Funktion verpflichten. Die Arbeit der Organisation wird schon in der Selbstbeschreibung oft als religiöse Arbeit beschrieben; wissenschaftliche Organisationen dagegen neigen mehr und mehr dazu, sich selbst für offen wirtschaftliche Primärinteressen nicht mehr rechtfertigen zu müssen. In wissenschaftlichen Organisationen – und nur soweit wäre das “Organisationskulturvergleichsargument” zulässig – kann man bisweilen völlig vergessen, dass es sich hier irgendwie um Wissenschaft handelt. Das nun aber als blosse Fehlentwicklung, mangelnde Ideologisierung wissenschaftlicher Organisation oder den Vorteil von religiösen gegenüber wissenschaftlichen Organisationen zu sehen, übersieht die Kontexte und Bedingungen, unter denen die jeweilige Organisation entstehen konnte und musste.

    Vollkommen unzulässig vereinfacht hier, aber es zeigt trotzdem den Punkt: religiöse und wissenschaftliche Organisationen können nicht auf ihre “blosse” oder vom inhaltlichen Ballast befreite Organisationskultur miteinander verglichen werden, bzw. ein solcher Vergleich muss sehr viel elaborierter geschehen, als so dahin geworfen zu werden. Die Abschätzung, was er für die in meinem Leserbrief angesprochenen Probleme bringen könnte, ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu leisten, kann höchstens das Ergebnis des präzise durchgeführten Vergleichs sein und bringt somit nicht wirklich etwas zur Diskussion des Beitrags. Deshalb habe ich hier so entschieden reagiert. Aber führen Sie doch gerne den Vergleich durch; ich zweifle nicht daran, dass er letzten Endes zumindest Erkenntnisgewinn bringt, wenn schon kein Rezept zur Heilung der Wissenschaft.

    (Winzige Anmerkung zum Schluss: wenn man schon religiöse und wissenschaftliche Organisationen vergleichen will – sind es da nicht gerade die privaten Universitäten, die gewitzt einige Elemente religiöser Organisation und Gemeinschaftsbildung zu nutzen versuchen? Nicht, dass dies nun irgendwie relevant wäre, weil siehe obige Ausführungen…)

  9. Heute war ein nebliger Tag im Ruhrgebiet. Zuweilen ist dieser Nebel sogar das attraktivste Element im Raum, verbindet er doch die hässliche Nachkriegsarchitektur, die hier wie benutzte Taschentücher achtlos liegengelassen wurde, durch einen Schleier des Nichtwissen. Eine gute Basis für alles weitere.

    Luhmann hat sich ja (innerhalb der Soziologie) lange genug im Kreis gedreht, um schließlich bei Spencer-Brown anzukommen, einem Mathematiker, der sich selbst für den reinkarnierten Buddha hält. Inwiefern kann sich also eine Wissenschaft, die von esoterischen Grundlagen ausgeht, noch als säkular oder unparteilich bezeichnen? Ein massiver blinder Fleck und eine offene Flanke für Kritik. Sobald eine Universität versucht, sich selbst komplett mit Hilfe des Formkalküls zu erschaffen, entsteht somit zwangsläufig… Hogwarts.

    Und ich persönlich finde das ja eine super Sache, aber wenn man so tut, als ob das alles völlig ideologiefrei geschehe und dabei nicht neue Hierarchien entstehen, ist man m.E. falsch gewickelt. Die Krishnas verwirklichen gleich zwei Ideale der nächsten Universität:

    1. Volksbildung – Gratis Essen, auch für den letzten Penner, zusammen mit kleinen Vorträgen. Dadurch auch Debattenkultur, auf Pragmatik hin gebürstet. So funktioniert Open-Source Wissenschaft. Daraus folgt…

    2. Ausdifferenzierung – Für jede Situation das richtige Mantra / die richtige Unterscheidung parat, um sich fest im Sattel des Nichtwissens zu verankern. Die Musik des Zufalls ersetzt das lähmende Stottern der Bürokratie, am Tropf der Wirtschaft.

    So oder so gibt es keine religionsfreie Wissenschaft. Auch keinen Ausweg aus der Transparenz. Und letztendlich keinen Umweg um die Immanenz. Selbst wenn man am liebsten weiter Lamentieren würde…

  10. Jetzt habe ich das Interesse verloren, weiter zu antworten. Mir scheint, Sie reden absichtlich an meinen Argumenten vorbei. Warum Buddhismus esoterisch sein soll, ist mir schleierhaft und inwiefern sich die Systemtheorie mit dem Kalkül Spencer-Browns auf “esoterische Grundlagen” stellt, nur weil Spencer-Brown persönlich sich für was immer hält, ist unplausibel bis argumentativ abwegig. Von “Hogwarts” möchte ich gar nicht sprechen – es fehlen hier schlicht Argumente; ich möchte gar nicht nachfragen.

    Warum und inwiefern ich angeblich so tue, als würde irgendetwas (was auch immer, ist mir hier nicht ganz klar) ideologiefrei geschehen, wenn ich doch gerade hier (http://www.textlabyrinthe.de/theorie-und-ideologiekritik/ – siehe auch den letzten blogeintrag auf sinnsysteme.de) genau über dieses Thema geschrieben hatte, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Wenn es sich nun aber nicht auf mich bezieht – was soll das dann hier?

    Kostenloses Essen, Open-Source-Wissenschaft, Krishnas, Mantra, – vollkommen konfus. Was soll’s.
    Die Abschlussbehauptung, es gäbe keine religionsfreie Wissenschaft und keinen Ausweg aus der Transparenz. Nun gut. Das ist wie alles zuvor: unbegründet.

  11. Ich finde den Ansatz jedenfalls sehr produktiv, esoterische Tools wie selbstverständlich in die Wissenschaft zu integrieren. Nur weil sich ein Aleister Crowley für sonstwas hält, sollte man seine Arbeit als Religionswissenschaftler nicht weniger ernst nehmen. Zu Spencer-Brown:

    http://www.academia.edu/2109252/An_Esoteric_Guide_to_Spencer-Browns_Laws_of_Form

    Die wahrscheinlich säkulärste Organisation des tibetischen Buddhismus, Shambhala, beruft sich übrigens wieder auf Krishna, in Form von Kalki, als Ideal des Politikers. Wenn man sich dann auch noch über linke Ideologie ein paar Gedanken macht, kommt man ja eventuell beim Grundeinkommen und Open-Source Mentalität an. Die Krishnas sind da bereits nen Schritt weiter, finde nicht nur ich:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Shaunaka_Rishi_Das

    Ich selbst bin übrigens kein Mitglied von ISKCO, fand den Besuch im Tempel in Soho, London nur relativ interessant. Wenn du aber für jede These nen dicken Namen und nen Zitat dahinter brauchst, um irgendeinen Nutzwert darin erkennen zu können, würde ich hiermit gerne wieder auf das Anfangsstichwort verweisen.

  12. Was soll das denn, frage ich mich. Aleister Crowley war auch kein Religionswissenschaftler, nicht einmal abgefahrendste Vertreter der Disziplin würden hier zustimmen; das ist ja zufällig das Fach, das ich studiert habe… Religionswissenschaft ist nicht analog zu Medienwissenschaft “Irgendwas mit Religion” (und selbst Medienwissenschaft ist etwas differenzierter, was schon einiges heissen will…) Und davon abgesehen: was hat das mit meinem Leserbrief zu tun?

    Ich habe auch nicht bestritten, dass man Laws of Form religiös als Quelle für was immer lesen kann. Das geht und wurde hinreichend oft getan. Das geht aber mit so einigem. Wieso sollten solche Lektüren nun aber einen Text vollumfänglich – hier als: “esoterisches Tool” – definieren?

    Man könnte zum Beispiel eine differenziertere Lektüre, die vor voreiligen Verwertungen des Kalküls warnt, empfehlen, wie sie z.B. Christina Weiss vorgelegt hat (http://tinyurl.com/nkjfy7y ). Eine religiös interessierte Lektüre kann trotz aller Versuche religiöser Lehren alles eben religiös zu deuten (wie es nun Wissenschaft für wissenschaftliches Beobachten selbst beansprucht) nicht die wissenschaftliche Qualität des Textes disqualifizieren (ebenso umgekehrt: die wissenschaftliche Brauchbarkeit von Hypothesen sagt in der Regel nichts darüber aus, ob es sich hier um rechtgläubige, fromme, erleuchtete, offenbarte oder was immer für Botschaften handelt). In der Geschichte wissenschaftlicher Theorien finden sich dann auch zahlreiche Beispiele für zu ihrer Zeit als religiös heterodox und ähnliches verurteilte Ideen – das ist jedoch – ebenso wie religiös wertschätzende Vereinnahmung von Texten – eine religiöse Position. Kann man machen, nur ist dies eben keine wissenschaftliche Perspektive. Und auch das hat, ich wiederhole mich, mit meinem Leserbrief nichts zu tun. Ich muss gestehen, man hätte es schon an Ihrem ersten Kommentar erkennen können, auch wenn er knapp war und also im Zweifel für ein Angebot der Ausführung zu sprechen schien.

    So nervig schwache Sticheleien (“für jede These nen dicken Namen und nen Zitat dahinter”) sind aber einfach nur albern. Wenn Sie noch mal nachlesen möchten: ich hatte Argumente vermisst, nicht Zitate und Namen. So wird das nix.

  13. The means of science, the aim of religion, hatte sich dieser Herr Crowley ja auf die Fahne geschrieben. Für die meisten Pioniere liegt ja leider noch nicht zu Lebzeiten die richtige Schublade parat.

    Dein Leserbrief hingegen, besteht aus einem Lamentieren über das Lamentieren. Soviel konnten wir doch relativ flott feststellen.

    Danach deine Frage nach einem Gegenvorschlag. ISKCON zum Vorbild nehmen, meine Antwort. Dies wurde als schlicht und schräg diffamiert, selbst als ich mit kleinem Augenzwinkern auf den Hintergrund von Herrn Spencer-Brown hinwies, und meinen Vorschlag etwas weiter ausbaute, woraufhin du dich hinter irgendwelchen Wortklaubereien verbarrikadiert hast, anstatt der Idee spielerisch Raum zu gewähren. Im Taumel der Affekte…

    “In cybernetic control, what creates the circle of control is often called feedback. I understand feedback as a specialised and restricted form of circularity. The circularity in control is reflected in Alcoholics Anonymous ’s Tradition 2: “…Our leaders are but trusted servants; they do not govern.”This non-hierarchic statement translates thus: leader takes the role of controller and controlled, servant the role of controlled and controller, creating a cybernetic self-controlling system. Each element is controller to the other’s controlled. Interestingly, the concept of the “leader/servant,” is ancient: for instance, “Ich dien” (I serve), is the motto of the Prince of Wales, originating in the reign of Edward (1330–1376). The notion, leader/servant, encourages humility (another key AA concern). The danger when the powerful lose their perspective and humility is seen every day around the world.”

    A (Cybernetic) Musing: Anarchy, Alcoholics Anonymous and Cybernetics: Chapter 2

    http://www.chkjournal.org/administrator/components/com_webjournal/assets/columns/idPublication_597.pdf

  14. Zum Pionier: das stimmt selbstverständlich und gilt für alle Fachbegründer, wie Weber Durkheim Simmel und Comte für die Soziologie oder Müller, Otto, Schleiermacher, Tylor, Frazer, und Co für die Religionswissenschaft. Ein Klassiker, Begründer oder Pionier eines Faches wird man dann aber nicht qua Behauptung, man wolle es sein, werden oder man müsse so verstanden werden. Man kann sich eben nicht selbst schlicht als Begründer eines Faches erklären und dann wird es schon so folgen. Die Prinzipien mögen im Kontext von neuen religiösen Bewegungen noch in gewisser Hinsicht denkbar sein, doch auch schon hier ist man dann auf die Bestätigung des Charismas durch die Anhänger, also Fremdzuschreibung angewiesen. Kurz: Er wäre Pionier des Faches nur dann, hätte er irgendetwas mit dem danach entstandenen Fach zu tun gehabt, seine Texte irgend eine Bedeutung im Fach gezeitigt und Anschluss gefunden. So war’s leider nix. Wird ihn jetzt nicht stören. Sie können gerne darüber klagen, wird aber auch nichts ändern.

    Ihrer Zusammenfassung der Diskussion würde ich widersprechen. Zum einen war mein Leserbrief nicht Lamentieren über Lamentieren, sondern ein Plädoyer für eine differenziertere Diskussion der Problematik, die mehrere Ebenen berücksichtigen muss, mehr als nur “die angepassten Studenten”. ISKON zum Vorbild für die Organisation der Wissenschaft zu nehmen, habe ich in der Tat – “selbst als [Sie] mit kleinem Augenzwinkern auf den Hintergrund von Herern Spencer-Brown” hingewiesen haben – zurückgewiesen. Begründet, wie es nachzulesen ist. Das waren doch keine Wortklaubereien auf organisationale und ideologische Unterschiede von Wissenschaft und Religion hinzuweisen. Warum bezeichnen Sie das so?
    “Für jede Situation das richtige Mantra / die richtige Unterscheidung parat, um sich fest im Sattel des Nichtwissens zu verankern. Die Musik des Zufalls ersetzt das lähmende Stottern der Bürokratie, am Tropf der Wirtschaft.” – Das ist für mich kein Argument, trotz der farbigen Worte. Es ist zu einfach, lässt zu viel unberücksichtigt, was soll man dazu sagen? Ihre kurzen Beiträge – allen voran der Einstiegskommentar… – sind ja nicht so sehr falsch, als vielmehr einfach als Argumente kaum brauchbar. Und oft, wie im Falle des Wertes von ISKON so weit an dem Beitrag vorbei, den sie zu kommentieren vorgeben. Und nein: ich möchte nicht dicke Namen und Zitate. Aber kluge Argumente mit klarem Inhalt statt blumig-polemischer Rhetorik, die sich in Selbstverknappung gefällt. Was an sich auch nicht nur ein Problem wäre, nur darf m.E. nicht die Form den Inhalt verhindern.

    Bitte entschuldigen Sie, dass ich darauf nicht wie auf wissenschaftliche Argumente immer mit dem gebührenden Ernst reagieren kann. Vielleicht wäre es mir leichter gefallen, hätte ich Argumente erkennen können, hätten sich die Kommentare mehr auf den Beitrag bezogen, usw.; aber das war schon beim ersten Kommentar nicht drin. “Stichwort: Öko-Bonzen-Inkubator”… mal ehrlich, was erwarten Sie denn dann für Reaktionen? Vermutlich genau diese, und sich so lange auf eine so unfruchtbare Diskussion einzulassen, könnte man mir vorwerfen. Mögen manche als Zeitverschwendung sehen, ich sah es eher als eine Verantwortung. Sie hatten sich ja immerhin die Mühe gemacht, den Beitrag zu lesen. Ich möchte Ihnen jetzt gerne das letzte Wort überlassen.

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